Nichtigkeitsklage  EU Taxonomie-Verordnung

Der ergänzende delegierte Rechtsakt der Taxonomie Verordnung sieht vor, dass Wirtschaftstätigkeiten im Zusammenhang mit Kernenergie und fossilem Gas als „ökologisch nachhaltig“ gelten sollen. Das steht im Widerspruch zu einer wissenschaftsbasierten und glaubwürdigen Taxonomie-Verordnung. Im Oktober 2022 wurde in diesem Zusammenhang eine Klage gegen den ergänzenden delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission beim Gericht der Europäischen Union eingebracht.

Um die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen, müssen Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten gelenkt werden. Eine klare Definition des Begriffs „nachhaltig“ ist erforderlich. Dafür wurde die EU Taxonomie-Verordnung geschaffen. Sie ist das europaweit einheitliche Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Österreich unterstützt ausdrücklich die EU Sustainable Finance Strategy und die EU Taxonomie-Verordnung. Die Taxonomie ist zentral für die Mobilisierung von privatem Kapital für Klimaschutz und Klimawandelanpassung, da sie Orientierung für Investor:innen und Anleger:innen, wie auch für Unternehmen bietet. Wissenschaftsbasierte und glaubwürdige Kriterien sind daher wesentlich, um das Vertrauen der Investor:innen und Anleger:innen nicht zu verlieren. Österreich lehnt daher die Verwässerung der Taxonomie ab.

Hintergrund

Am 31. Dezember 2021 übermittelte die Europäische Kommission (EK) im Rahmen der Entwicklung der EU-Taxonomie-Verordnung den Entwurf eines ergänzenden delegierten Rechtsaktes zur Änderung der Delegierten Verordnungen (EU) 2021/2139 (→ EUR-Lex) und der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 (→ EUR-Lex). Der delegierte Rechtsakt wurde ohne Wirkungsfolgenabschätzung und öffentlicher Konsultation von der EK am 9. März 2022 angenommen und am 15. Juli 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Er erlangt mit 1. Jänner 2023 Gültigkeit. Dieser delegierte Rechtsakt sieht vor, dass Wirtschaftstätigkeiten im Zusammenhang mit Kernenergie und fossilem Gas unter Einhaltung der dargestellten Kriterien als „ökologisch nachhaltig“ im Sinne der Taxonomie-Verordnung gelten sollen. Für Österreich ist es ganz besonders wichtig, dass die Kriterien der EU-Taxonomie wissenschaftsbasiert, ambitioniert und glaubwürdig sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass Verbraucher:innen wissen, wo sie ihr Geld anlegen.

Verwässerung der EU Taxonomie Verordnung verhindern

Technologien wie Kernenergie oder fossiles Gas sind aus österreichischer Sicht jedenfalls nicht als ‚grün‘ einzustufen (Studie: Kernenergie ist keine grüne Investition). Nur mit einer transparenten EU-Taxonomie ohne Greenwashing kann dafür gesorgt werden, dass ausreichend Finanzmittel für die Erreichung der Klimaziele verfügbar sind und Europa bis 2050 klimaneutral ist. 

Die Delegierte Verordnung untergräbt die Glaubwürdigkeit des Taxonomie-Klassifikationsschemas. Das Ambitionsniveau der Kriterien des ergänzenden delegierten Rechtsaktes liegt sogar unterhalb von Taxonomien anderer Länder. Die EU läuft damit Gefahr, ihrem Anspruch der Führungsrolle im globalen Klima- und Umweltschutz nicht gerecht zu werden.

Greenwashing im ergänzenden delegierten Rechtsakt

Vor dem Hintergrund des im Regierungsprogramm festgehaltenen „aktiven Einsatzes der Bundesregierung gegen ‚Greenwashing‘ bei der Festlegung von Nachhaltigkeits-Klassifizierungen“ sowie dem Ziel der Klimaneutralität Europas bis 2050, setzt sich Österreich für eine glaubwürdige, wissenschaftsbasierte und ambitionierte Taxonomie ein. Im Bereich Klimaschutz sollen nur jene Aktivitäten als nachhaltig klassifiziert werden, die vereinbar mit dem Pariser Klimaschutzübereinkommen sind.

Die Taxonomie-Verordnung selbst hat das Ziel, Lock-ins in langfristig umwelt- und klimaschädliche Aktivitäten auszuschließen. Entsprechend soll die Einordnung von Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gemäß Taxonomie auf wissenschaftlichen Analysen basieren. Der delegierte Rechtsakt untergräbt diese Bestrebungen und verwässert damit die EU-Taxonomie-Verordnung und ihre Ambitionen.

Details zur Nichtigkeitsklage

Gemäß Artikel 263 AEUV überwacht der Gerichtshof der Europäischen Union (EuG) die Rechtmäßigkeit von Rechtsakten und Handlungen der Europäischen Kommission (EK). Österreich hat im Oktober 2022 die letzten Monate dazu genutzt, eine Nichtigkeitsklage gegen den ergänzenden delegierten Rechtsakt der EK beim Gericht der Europäischen Union eingereicht. 

Verfahrensrechtlichte Aspekte

Der veröffentlichte delegierte Rechtsakt entspricht nicht den rechtlichen Grundlagen, die die Taxonomie-Verordnung vorsieht. Es liegt nicht im Kompetenzbereich der Europäischen Kommission eigenständig so weitreichende und politisch sensible Entscheidungen zu treffen – die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als ökologisch nachhaltig ist aber eine weitreichende Entscheidung. Zudem wurden verfahrenstechnische Vorgaben, wie die erforderliche Folgenabschätzung die Konsultation der Öffentlichkeit sowie die rechtzeitige Konsultation der Mitgliedstaaten, nur unzureichend erfüllt. 

Kernenergie

Kernenergie erfüllt die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung nicht, darunter ein ganz zentrales Kriterium: Nach dem sogenannten „do no significant harm“-Prinzip dürfen grüne Wirtschaftsaktivitäten keine signifikanten Umweltschäden anrichten. Reaktorunglücke wie Tschernobyl oder Fukushima mit ihren enormen Schäden an Umwelt und Mensch zeigen das genaue Gegenteil.

Fossiles Gas

Erdgas ist grundsätzlich ein klimaschädlicher, fossiler Energieträger. Kostengünstige und schnell ausbaubare Erneuerbare Energien stehen bereits zur Verfügung. Eine Zertifizierung von Gas als nachhaltig sorgt für schädliche Parallelstrukturen bei Investitionen und zögert die notwendige Energiewende in Europa sinnlos hinaus. Zusätzlich bewirkt Gas in der Taxonomie Verordnung Lock-in-Effekte in fossile Infrastrukturen, die mit der Verordnung eigentlich verhindert werden sollten. Die Folge: hohe Kosten, Wettbewerbsnachteile und weitere Anfachung der Klimakrise.