APG Stresstest Strom  Sichere Versorgungssituation, aber große Herausforderungen für Winter 2022/23

Aktuelle Fakten liefern beherrschbares Gesamtbild für die sichere Stromversorgung in Österreich.

Stresstest Strom: APG-Vorstand Gerhard Christiner und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
APG-Vorstand Gerhard Christiner und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Foto BMK / Cajetan Perwein

Aufgrund der äußerst angespannten energiewirtschaftlichen Situation in Europa hat die Austrian Power Grid (APG) einen Stresstest zur Beurteilung der sicheren Stromversorgung für den kommenden Winter für Österreich unter verschärften äußeren Bedingungen erstellt. Anlass dafür war die aktuelle Dürre im vergangenen Sommer, Niedrigwasser in vielen Flüssen Europas, die sukzessive Reduktion der Gaslieferungen aus Russland, der Ausfall vieler französischer Atomkraftwerke und die seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine insgesamt äußerst angespannte Lage auf den Energiemärkten.

Im Herzen Europas liegend ist Österreich von all diesen europäischen Rahmenbedingungen direkt oder indirekt betroffen, da vor allem in den Wintermonaten Strom aus den Nachbarländern importiert werden muss.

Der Strom-Stesstest

„Der Strom-Stresstest zeigt uns zwei Dinge: Österreich besitzt eine gute und sichere Energieversorgung – und auf uns kommt ein herausfordernder Winter zu, den wir in einem realistischen Szenario trotzdem gut bewältigen können. Aber – jeder Beitrag hilft uns jetzt. Und deshalb ist Energiesparen gerade jetzt wichtig und sinnvoll. Deshalb bitte ich alle Menschen in unserem Land: Helfen Sie mit, sparen Sie Energie, wenn es Ihnen möglich ist. Gemeinsam werden wir diese Krise bewältigen“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
„Übergeordnetes Ziel des Stresstests ist es kritische Situationen, welche zu möglichen stundenweisen Strommangellagen führen können, zu identifizieren. Nur mit einer derartigen Analyse ist es möglich ein gezieltes Monitoring der Versorgungslage während der nächsten Monate durchzuführen und im Falle weiterer Eskalationen frühzeitig gegenzusteuern“, betont Gerhard Christiner, Vorstand der APG.

Insgesamt kann die energiewirtschaftliche Gesamtsituation für den kommenden Winter aus APG Sicht als herausfordernd aber beherrschbar bezeichnet werden. Aufgrund der bereits getroffenen Präventivmaßnahmen (u. a. gefüllte Gasspeicher in Österreich, gesetzliche Netzreserve) ist Österreich gut vorbereitet.

In Szenarien bestehend aus einer Vielzahl an Einzelfaktoren, wurden u.a. unterschiedliche Verfügbarkeiten von Kraftwerksleistungen (u.a. Niedrigwasser, Reduktion Kraftwerkskapazitäten in Polen, Finnland, Frankreich), Laststeigerungen aufgrund erhöhten Verbrauchs (u. a. kalter Winter) sowie die Verknappung von Kohle und Gas angenommen. Das mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit eintretende Szenario ist das „Kombinations-Szenario“ (u. a. reduzierte Kraftwerksleistung in Finnland, Frankreich, keine Gaseinschränkung, Referenzlast) bei dem es aus aktueller Sicht große aber beherrschbare Herausforderungen für die sichere Stromversorgung für Österreich gibt (zu keiner Stunde ist eine Lastunterdeckung – mehr Stromnachfrage als -angebot – zu identifizieren). Die beiden darüber hinaus gehenden Szenarien („Kombinations-Szenario kritisch“ und „Kombinations-Szenario sehr kritisch“) weisen bis zu 815 Stunden an identifizierter möglicher Lastunterdeckung für Österreich aus. Diese beiden Szenarien haben geringe bzw. sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten für den Winter 2022/2023.

Dies alles zeigt, dass die sichere Stromversorgung im heurigen Winter eine große Herausforderung wird. Ein sehr kalter Winter verbunden mit unerwarteten neuen Rahmenbedingungen kann jederzeit und in jedem Szenario verschärfend wirken. Daher ist es ganz besonders wichtig, dass wir alle – jede:r im eigenen Verantwortungsbereich – alles tut, um Spitzenlasten zu verringern, Last zu verschieben (Demand Side Response) bzw. die Verfügbarkeit von Produktions-, Speicher- und Netzkapazitäten hoch zu halten bzw. sukzessive auszubauen.

Explizit herauszuheben ist, dass bei gleichzeitigem Eintreten zusätzlicher kritischer Ereignisse bzw. unerwarteter neuer Rahmenbedingungen größere Herausforderungen auf Österreich zukommen können. Diese würden dann entsprechend der gesetzlichen Regelung Maßnahmen gemäß Energielenkung notwendig machen. Dies gilt auch bzw. insbesondere, falls in den Szenarien „kritisch“ bzw. „sehr kritisch“ die gewählten Präventionsmaßnahmen (u. a. Verschiebung Netzlast, Demand-Side-Response) nicht ausreichend wirken.

Keine der Szenarien führt zu einem erhöhten Blackoutrisiko.

Geeignete Maßnahmen u. a. um präventiv vorzusorgen

Um die sichere Transformation hin zu einem nachhaltigen Energiesystem zu schaffen und gleichzeitig Disfunktionalitäten im Gesamtsystem, Preisdruck bzw. Risiken der Versorgungssicherheit zu vermeiden, sind folgende Maßnahmen, die zum Teil schon gesetzt wurden, besonders wirksam:

  • Verfügbarkeit von Reservekraftwerken: gesetzlich geregelt (Netzreserve)
  • Sorgsamer Umgang mit Strom, Gas & allen Energieformen: Minus 5 Prozent Ziel über die Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates über Notfallmaßnahmen, Minus 11 Prozent → mission11.at der Bundesregierung
  • Umsetzung von Resilienz-Strategien: 
    • u. a. Optimierung bestehender Netzkapazitäten mittels Thermal Rating
    • feingranularere Prognosen für Netzsicherheit (u. a. Datenaustausch) bzw. Erneuerbare
  • Systemische Energielenkung gemäß Energielenkungsgesetz (EnLG) im Krisenfall
  • Alternative Gasbeschaffung (u. a. Norwegen, LNG) sowie gefüllte Gasspeicher
  • Ausbau der Kapazitäten in allen Bereichen des Energiesystems/ Angebotserweiterung: Netzinfrastruktur, Erneuerbare, Speicher: liegen vor, Umsetzung aktuell noch zu langsam; Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
  • Integration neuer Flexibilitätsanbieter ins Stromsystem (u. a. Industrie, Energiegemeinschaften)/ Ausweitung flexibler Lasten: Vertikale Integration mittels digitaler Plattformtechnologien
  • Gesamtsystemplanung: Initiative Österreichischer Netzinfrastrukturplan (ÖNIP)
  • APG Power Monitor: wöchentliche Analyse der Stromversorgungssituation Österreichs ab 12/22
     

Fazit

Mit diesem Stresstest konnte eine Übersicht über die tatsächliche Stromversorgungslage in Österreich für die nächsten Monate geschaffen werden. Die APG plant in den kommenden Wochen darüber hinaus die Publikation von wöchentlichen Monitoring-Analysen der dann jeweils aktuellen Versorgungsituation Strom in Österreich sowie tagesaktuellen Lastkurven.

„Mit diesen zusätzlichen Instrumenten schaffen wir Transparenz über die jeweils aktuelle Versorgungslage. So können wir bevorstehende kritische Situationen noch früher erkennen, dafür eine öffentliche Sensibilität zu erreichen und damit auch ein breites Verständnis für etwaige notwendige Maßnahmen zu schaffen“, sagt Christiner.