35 Jahre Tschernobyl Maßnahmen und Folgen bis heute

Österreich hat großes Verständnis und Mitgefühl für die Betroffenheit der Ukraine durch die noch immer andauernden Folgen der Reaktorkatastrophe. Aus diesem Grund hat sich Österreich von Anbeginn finanziell an sicherheitstechnischen Maßnahmen am Standort Tschernobyl beteiligt. International führte die Katastrophe von Tschernobyl zu einer Reihe von Konventionen, aber auch zu konkreten Maßnahmen in einzelnen Kernkraftwerken. Dies hat sicher zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit beigetragen – freilich nicht genug.

Am 26. April 1986 kam es im vierten Block des KKW Tschernobyl in der heutigen Ukraine (damals UdSSR), zu einem schweren Unfall, dem ersten, der auf der internationalen Störfallskala (INES) mit der höchsten Stufe, nämlich 7, bewertet wurde. In Folge der Explosion kam es zu einem Graphitbrand mit einer Freisetzung radioaktiver Stoffe in große Höhen von bis zu 10.000 Meter.

Über 30 Todesfälle stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nuklearkatastrophe. Die Angaben über Todesfälle aufgrund von Langzeitfolgen durch Strahlenbelastung differieren stark. Hundertausende Menschen wurden evakuiert und verloren ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage. Ein Sperrgebiet mit einem Radius von 30 Kilometern wurde eingerichtet und besteht heute noch.

Österreich zählte zu den am schwersten betroffenen Staaten Mitteleuropas. Die Katastrophe von Tschernobyl hat tiefe Spuren im Bewusstsein der Bevölkerung hinterlassen. Viele Österreicherinnen und Österreicher fühlten sich in ihrer Entscheidung von 1978 (Volksabstimmung Zwentendorf) gegen die energetische Nutzung der Kernenergie bestätigt.

Aber erst die Ereignisse des Jahres 1989 und die als Bedrohung wahrgenommenen Kernkraftwerke in der unmittelbaren Nachbarschaft Österreichs haben dann zu einer aktiven Anti-Atom-Politik geführt. Der gesellschaftliche und parteipolitische Konsens wurde schließlich im Jahr 1999 durch den einstimmigen Beschluss des Nationalrates, das Atomsperrgesetz als Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich in den Verfassungsrang zu heben, dokumentiert.

Maßnahmen vor Ort – Internationale Hilfe mit österreichischer Beteiligung

1995 wurde ein „Memorandum of Understanding on the Closure of the Chernobyl Nuclear Power Plant“ (MoU) zwischen den G7-Staaten, der Europäischen Kommission sowie der Ukraine unterzeichnet. Der damalige ukrainische Präsident Kutschma sagte zu, das Atomkraftwerk Tschernobyl bis zum Jahr 2000 abzuschalten, was am 15. Dezember 2000 erfolgte. Als Gegenleistung wurde westliche Unterstützung im Energiebereich und im Bereich der nuklearen Sicherheit, insbesondere bei Maßnahmen zur Überführung des Sarkophags in Tschernobyl in einen umwelttechnisch sicheren Zustand zugesichert.

Der Reaktorblock 4 wurde direkt nach der Katastrophe mit Tausenden Tonnen Blei und Sand zugeschüttet, anschließend wurde aus Stahl und Beton eine provisorische Konstruktion (bekannt als Sarkophag) darüber errichtet, um den weiteren Austritt von radioaktivem Material zu verhindern. Da diese Schutzhülle in aller Eile errichtet wurde, drohte das Dach nach einigen Jahren einzustürzen.

Im Juni 1997 wurde bei einem G7-Treffen ein Shelter Implementation Plan (SIP) verabschiedet. Zu dessen Finanzierung wurde der Chernobyl Shelter Fund (CSF) bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) (European Bank for Reconstruction and Development – EBRD) eingerichtet. Die EBWE selbst, die Europäische Kommission und 44 Staaten leisteten finanzielle Beiträge. Wichtigste Maßnahmen waren zunächst die Stabilisierung des bestehenden Sarkophags und dann die Errichtung des New Safe Confinement (NSC), das im Juli 2019 offiziell an die Ukraine übergeben wurde.

Mit der Erfahrung der eigenen Betroffenheit, aber auch aus Solidarität mit der Ukraine hat sich Österreich von Anbeginn am Chernobyl Shelter Fund (CSF) aktiv beteiligt. Österreich zählt mit einem Beitrag von 13 Millionen Euro an den circa 2 Milliarden Gesamtkosten zu den größeren Gebern unter den kleineren Nicht G7-Staaten.

Folgen der Katastrophe – Internationale Konventionen und Anstrengungen zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit

International führte die Katastrophe von Tschernobyl zu einer Reihe von Konventionen unter den Auspizien der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO). Damit wurde erstmal ein völkerrechtlich verbindliches Regelwerk geschaffen, allerdings ohne Sanktionsmechanismen.

So wurde noch im selben Jahr das internationale Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen und über Hilfeleistung bei nuklearen Unfällen oder strahlungsbedingten Notfällen abgeschlossen. 1989 wurde die Konvention über den Physischen Schutz von Kernmaterial, und 1998 die Konvention über die Nukleare Sicherheit angenommen. 2001 trat die Konvention über die sichere Behandlung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente in Kraft. Österreich ist Vertragspartei all dieser Konventionen.

Die Katastrophe von Tschernobyl, aber auch andere Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit, wie die Katastrophe von Fukushima, haben dazu geführt, dass erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit unternommen wurden; sowohl im Rechtsrahmen, aber auch in den Kernkraftwerken selbst – freilich nicht genug. Das sicherste Kernkraftwerk ist aber immer noch jenes, das gar nicht erst gebaut wird. Bis dahin gilt aber weiterhin: schwere Unfälle in Kernkraftwerken können nicht ausgeschlossen werden. Die Gedenktage sollten mahnend daran erinnern.

Das BMK hat eine Informationsoffensive zu Mythen um die Atomkraft gestartet. In den Faktenblättern werden diese Mythen im Detail erörtert und widerlegt.