Kernkraftwerksunfall Fukushima
Am 11. März 2011 verwüstete ein Tsunami weite Teile der Nordostküste Japans. In Folge entwickelte sich im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi der schwerste Kernkraftwerksunfall seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
Inhaltsverzeichnis
Nach dem schwersten Seebeben seit Beginn der japanischen Erdbebenaufzeichnungen überflutete am 11. März 2011 ein Tsunami weite Teile der Nordostküste Japans. Die Überflutungen verwüsteten einen hunderte Kilometer langen Küstenstreifen. Über 20.000 Menschen kamen durch die Katastrophe ums Leben und hunderttausende wurden obdachlos. Die Schäden gehen in die Höhe von hunderten Milliarden Euro. Die Industrienation Japan deckte bis zum Tōhoku-Erdbeben rund ein Drittel des Strombedarfs durch Kernenergie.
Ausgelöst durch die Naturkatastrophe wurden an der Ostküste Japans elf Reaktorblöcke in vier Kernkraftwerken automatisch abgeschaltet. In den Kernkraftwerken Onagawa, Tōkai und vor allem Fukushima Daini konnten die Reaktoren durch Notfallmaßnahmen in den Anlagen gerade noch unter Kontrolle gebracht werden. Im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi entwickelte sich allerdings der schwerste Kernkraftwerksunfall seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
Die Aufräumarbeiten in und außerhalb der Anlage werden noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Der Kernkraftwerksunfall von Fukushima und seine Folgen haben nicht nur in Japan zu einem Umdenken in der Haltung gegenüber der Nutzung der Kernenergie zur Energiegewinnung geführt.
Welche Lehren konnten aus Sicht des Strahlenschutzes gezogen werden?
Fukushima hat der Welt vor Augen geführt, dass die Kommunikation mit der Bevölkerung bei einem solchen Ereignis von ganz zentraler Bedeutung ist. Auch ein weit entfernter Unfall in einem Kernkraftwerk (KKW) ohne radiologische Auswirkungen auf das eigene Land führt zu einem großen medialen und öffentlichen Interesse. Um eine unnötige Verunsicherung in der Bevölkerung zu vermeiden, ist Transparenz und eine proaktive Informationspolitik der Behörden ganz zentral. Die Information der Bevölkerung und Krisenkommunikation ist seit diesem KKW-Unfall ein Schwerpunkt im Notfallmanagement im Strahlenschutz des BMK. Handlungsbedarf für die Behörden besteht in einem solchen Fall auch hinsichtlich Reisewarnungen und Reiseverbote und dem Schutz von Auslandsösterreicherinnen und -österreichern im Unfallgebiet. Österreich hat auch die internationale Zusammenarbeit insbesondere mit den Nachbarländern im radiologischen und nuklearen Notfallmanagement vertieft – vom Informationsaustausch bis hin zu gemeinsamen Übungen.
Seit Fukushima wurde die nukleare und radiologische Notfallvorsorge in vielen Staaten ausgeweitet. Der Unfall in Fukushima hatte gezeigt, dass unwahrscheinliche Extremereignisse eben doch passieren können. Die Lektion war „Plane auch für das Unwahrscheinliche und Undenkbare!“. Verstärkt berücksichtigt werden daher Naturkatastrophen mit katastrophalen Auswirkungen wie Erdbeben und Hochwasser, die gleichzeitig auch schwere Kernkraftwerksunfälle auslösen können. Durch das schwere Erdbeben und den darauffolgenden Tsunami wurden 2011 gleich mehrere Kernkraftwerke entlang der japanischen Küste schwer beschädigt und entgingen nur knapp einem katastrophalen Unfall. In Fukushima Daiichi, der am meisten betroffenen Anlage, kam es in drei von sechs Reaktoren zur Kernschmelze. Diese Ereignisse waren vor dem Unfall in Fukushima praktisch „undenkbar“.
Bereits nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 war bekannt, dass neben radiologischen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt auch psychische und soziale Beeinträchtigungen eine große Rolle spielten. Der schwere KKW-Unfall in Fukushima im März 2011 hat ein weiteres Mal der Welt vor Augen geführt, wie gravierend die Auswirkungen von Nuklearkatastrophen auf die mentale Gesundheit und die sozioökonomische Situation sein können. Die japanischen Behörden haben die evakuierten Menschen in Notunterkünften weit weg von ihrer sozialen, gewohnten Umgebung untergebracht. Zehntausende Personen von insgesamt 150.000 sind 10 Jahre später immer noch evakuiert. Es wurde ein signifikant erhöhter Anteil an Personen mit gesundheitlichen Problemen wie posttraumatischen Stresssymptomen bis hin zu Depressionen festgestellt. Aufgrund dieser Erkenntnisse hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam mit anderen internationalen Organisationen Maßnahmen entwickelt, um psychosoziale Auswirkungen nach radiologischen und nuklearen Notfällen zu verringern. Die Bekämpfung von psychosozialen Auswirkungen findet seit Fukushima immer mehr Eingang in die nukleare Notfallvorsorge. In Österreich ist diesem Bereich ein Kapitel im gesamtstaatlichen Notfallplan gewidmet.
Fukushima hat gezeigt, dass bestimmte Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, wie Evakuierungen der Menschen aus der näheren Umgebung des KKW, weit umfassender betrachtet und genauer geplant werden müssen. Innerhalb der ersten Tage nach Beginn des KKW-Unfalls wurden bis zu 80.000 Personen aus dem Gefahrenbereich evakuiert. Auch Krankenhäuser mussten rasch geräumt werden, um auch die Schwerkranken und Pflegebedürftigen in Bussen zu evakuieren. Dabei kam es zu einigen Todesfällen aufgrund einer eingeschränkten medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten während und nach der Evakuierung.
Entstandene Probleme
Durch den KKW-Unfall in Fukushima entstanden viele langfristige teilweise noch ungelöste Probleme:
- Obwohl ein Teil des ursprünglichen Sperrgebietes wieder zugänglich ist, besteht nach wie vor ein großes Sperrgebiet (370 km2) mit einer Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkung.
- Durch Dekontaminationsarbeiten entstanden große Mengen radioaktiv kontaminierter Stoffe wie abgetragener kontaminierte Böden, die sicher gelagert werden müssen.
- Der Rückbau der zerstörten Anlage ist sehr aufwendig und kostspielig. So wird die Entfernung der zerstörten und größtenteils geschmolzenen Brennelemente erst 2028 abgeschlossen sein.
- In Japan wird an einer Lösung für die großen angefallenen Mengen von radioaktiv kontaminiertem Wasser gesucht. Dieses Wasser, das zum Beispiel aus der Kühlung der zerstörten Brennelemente in den Reaktoren kommt, wird vor Ort aufbereitet und zwischengelagert.
Strahlenschutz in Österreich während des Unfalls
Die Abteilung Strahlenschutz des BMK war während des KKW-Unfalls in Fukushima über einen Monat rund um die Uhr besetzt, hat Schutzmaßnahmen gesetzt und die Bevölkerung regelmäßig über die aktuelle Situation informiert. Fünf Jahre nach den Ereignissen in Fukushima wurde ein Bericht des Umweltministeriums in Zusammenarbeit mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) verfasst, in dem weitere Informationen zum KKW-Unfall und den Auswirkungen enthalten sind.