EU-Luftqualitätsrichtlinie beschlossen
Die Europäische Kommission hat im Oktober 2022 einen Vorschlag für die Überarbeitung der europäischen Vorschriften zur Luftqualität veröffentlicht. Die Vertreter:innen der belgischen Ratspräsidentschaft und des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments haben sich nach intensiven Verhandlungen Ende Februar 2024 auf die Inhalte der neuen Luftqualitätsrichtlinie geeinigt. Die Annahme im EU Umweltrat erfolgte am 14. Oktober 2024.
Die Luftqualitätsstandards der EU werden an die jüngsten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenähert und sind regelmäßig nach Maßgabe der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu überprüfen. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung EU-Ziel bis zum Jahr 2050 eine möglichst schadstofffreie Umwelt sicherzustellen. Zusätzlich werden die Vorschriften über die Überwachung der Luftqualität verschärft, Modellierungsanwendungen als Beurteilungsmethode gestärkt, mehr Klarheit in Bezug auf den Zugang zu Gericht, wirksamere Sanktionen sowie Entschädigungsansprüche geschaffen und eine bessere Information der Öffentlichkeit sichergestellt.
Die neuen Vorgaben werden dazu beitragen, die Luftverschmutzung weiterhin wirksam zu verringern, Gesundheitsrisiken zu reduzieren und damit die Anzahl der gesunden Lebensjahre zu steigern: Noch immer sind in der EU statistisch gesehen jährlich rund 300.000 vorzeitige Todesfälle infolge von Luftschadstoffbelastung zu verzeichnen. Besonders betroffen sind vulnerable und sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen, auf sie wird künftig ein verstärktes Augenmerk gelegt.
Annahme der EU-Luftqualitätsrichtlinie im EU-Umweltrat
Obwohl sich die Luftqualität in der EU in den letzten drei Jahrzehnten erheblich verbessert hat, ist Luftverschmutzung nach wie vor die häufigste umweltbedingte Ursache für vorzeitige Todesfälle. Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sowie sozioökonomisch benachteiligte Gruppen sind unverhältnismäßig stark betroffen. Luftverschmutzung hat zudem negative Auswirkungen auf die Umwelt: Sie schädigt Ökosysteme und reduziert die biologische Vielfalt. Darüber hinaus verursacht sie enorme volkswirtschaftliche Kosten, die die Kosten entsprechender Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität bei Weitem übersteigen.
Derzeit sind zwei Luftreinhalterichtlinien in Kraft: Die Richtlinie 2004/107/EG (EUR-Lex) über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (4. Tochterrichtlinie) und die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitätsrichtlinie). Die Überarbeitung und Zusammenführung der beiden Richtlinien wurde von der Kommission im Oktober 2022 als integraler Bestandteil des EU-Aktionsplans zur Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden im Rahmen des Europäischen Grünen Deals vorgeschlagen.
Nach intensiven und monatelangen Verhandlungen haben sich Rat und Parlament auf den neuen Richtlinientext geeinigt. Am 24. April 2024 vom Plenum des Europäischen Parlaments und am 14. Oktober 2024 vom EU-Umweltrat angenommen. Die Richtlinie wurde am 20. November im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist mit dem 10. Dezember in Kraft getreten.
Die wichtigsten Elemente der Einigung im Überblick
Verschärfung der Luftqualitätsstandards und Möglichkeiten zur Fristerstreckung
Ab dem Jahr 2030 gelten strengere Luftqualitätsstandards, die an die aktuellen Empfehlungen der WHO-Luftqualitätsleitlinien angenähert wurden, und von der Kommission regelmäßig zu überprüfen sind.
Die neue Richtlinie reguliert weiterhin eine Vielzahl von Luftschadstoffen, darunter Feinstaubpartikel (PM2,5 und PM10), Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid (SO2), Benzo(a)pyren, Benzol, Schwermetalle (Arsen, Blei und Nickel) in der Feinstaub PM10-Fraktion und Ozon. Sie legt für jeden dieser Schadstoffe spezifische Grenz- oder Zielwerte fest. So werden beispielsweise die Grenzwerte für den Jahresmittelwert für die Schadstoffe mit den größten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit – Feinstaub PM2,5 und NO2 – von 25 µg/m³ auf 10 µg/m³ bzw. von 40 µg/m³ auf 20 µg/m³ gesenkt.
Für die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffdioxid, Benzo(a)pyren und Benzol kann jedoch bei Vorliegen entsprechender Gründe bis zum 31. Januar 2029 ein Fristverlängerungsantrag für einen Zeitraum von maximal 10 Jahren gestellt werden, der nur unter bestimmten und relativ strengen Voraussetzungen von der Kommission bewilligt wird: Es sind bis Ende 2028 sogenannte „Roadmaps“ mit Maßnahmen und Prognosen („Projektionen“) zu erstellen, aus denen hervorgeht, dass die Überschreitung so kurz wie möglich gehalten werden kann und der entsprechende Grenzwert bis zum Ende des Fristerstreckungszeitraums eingehalten wird. Während der Fristerstreckung sind die „Roadmaps“ regelmäßig zu aktualisieren und Fortschrittsberichte vorzulegen.
„Roadmaps“, Luftqualitätspläne und Pläne für kurzfristige Maßnahmen
Die Mitgliedstaaten haben:
- Bis 31. Dezember 2028 eine „Roadmap“ mit Maßnahmen vorzulegen, wenn die Schadstoffkonzentrationen ab dem Jahr 2026 den bis 2030 zu erreichenden Grenz- oder Zielwert überschreiten und mit bereits bestehenden Maßnahmen nicht mit der Einhaltung gerechnet werden kann.
- Ab dem Jahr 2030 Luftqualitätspläne mit Maßnahmen für Gebiete, in denen die in der Richtlinie festgelegten Grenz- und Zielwerte überschritten werden, zu erstellen.
- Pläne mit kurzfristigen Maßnahmen (z. B. Beschränkung des Verkehrs, Einstellung von Bauarbeiten) zur Verringerung der unmittelbaren Gefahr für die menschliche Gesundheit in Gebieten, in denen ein Risiko der Überschreitung von Alarmschwellen besteht, bekanntzugeben.
Überprüfungsklausel (Review)
Die Kommission hat die neuen Luftqualitätsstandards erstmalig bis Ende 2030 und danach mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen. Dabei sind insbesondere etwaige Anpassungserfordernisse an die jüngsten WHO-Leitlinien sowie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bewerten.
Aufgrund dieser Überprüfungen kann die Kommission auch Vorschläge zur Überarbeitung der Luftqualitätsstandards, zur Einbeziehung weiterer (noch nicht regulierter) Schadstoffe (wie Ammoniak, ultrafeine Partikel und Black Carbon) sowie zur Ergreifung weiterer Maßnahmen auf EU-Ebene vorlegen.
Zugang zur Justiz und Recht auf Entschädigung
Die neue Richtlinie schafft mehr Klarheit in Bezug auf den Zugang zu den Gerichten, wirksamere Sanktionen und stellt sicher, dass Bürger:innen Anspruch auf Entschädigung haben, wenn ihre Gesundheit infolge eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoßes durch die Vollzugsbehörden gegen nationale Vorschriften zur Umsetzung bestimmter Bestimmungen der Richtlinie beeinträchtigt wurde.
Nächste Schritte
Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten anschließend zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Arbeiten dazu haben bereits begonnen und werden in enger Abstimmung mit den Bundesländern, dem Umweltbundesamt und anderen Stakeholdern erfolgen.