Kernkraftwerk Paks Ungarn

Am Standort des Kernkraftwerks (KKW) Paks befinden sich vier Blöcke des Reaktortyps WWER-440/213 in Betrieb. Die Baubewilligung für zwei neue Blöcke am Standort wurde am 25. August 2022 erteilt, dies jedoch unter Auflagen.

Die kommerzielle Inbetriebnahme der vier bestehenden Blöcke am Standort Paks erfolgte zwischen 1983 und 1987. Da die ursprünglichen Betriebsbewilligungen mit 30 Jahren befristet sind, waren für die Verlängerung der Betriebsdauern um weitere 20 Jahre neue Betriebsbewilligungen auszustellen. Dies erforderte auch ein Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren (UVP-Verfahren), an dem sich Österreich in den Jahren 2005 und 2006 grenzüberschreitend beteiligt hat. Verbleibende Sicherheitsfragen wurden und werden im Rahmen des bilateralen Nuklearinformationsabkommens diskutiert.

Anfang 2014 haben die Russische Föderation und Ungarn eine Vereinbarung zum Bau zweier weiterer Reaktorblöcke (Paks II) am Standort Paks abgeschlossen. Ende 2014 folgten drei Durchführungsabkommen für die geplante Erweiterung des ungarischen Kernkraftwerks (KKW) Paks um zwei 1200-Megawatt- (MW) Reaktoren russischer Bauart.

Das Projekt der Erweiterung des KKW Paks ist nicht nur aus nuklearpolitischer Sicht Österreichs abzulehnen – auch wenn Ungarns Souveränität nicht in Frage gestellt werden kann, sondern auch "europarechtlich" problematisch (Vergaberecht, Beihilfenrecht).

Die Vorarbeiten für einen Ausbau des KKW Paks begannen bereits vor einigen Jahren. Österreich hat sich in den Jahren 2013 bis 2015 grenzüberschreitend am UVP-Verfahren beteiligt.

Im April 2017 erteilte die Ungarischen Atomaufsichtsbehörde HAEA die atomrechtliche Standortbewilligung für Paks II. Der Betreiber hat am 30. Juni 2020 seinen Antrag betreffend Baugenehmigung der neuen KKW-Blöcke gestellt. Die Standortbewilligung musste im März 2022 verlängert werden (5 Jahre Gültigkeit). Die Baubewilligung wurde am 25. August 2022 erteilt, dies jedoch unter Auflagen.

Ungarn scheint das Projekt auch angesichts der geänderten geopolitischen Situation fortsetzen zu wollen.

Tipp

Weitere Informationen zu den Verfahren sind auf der → Website des Umweltbundesamtes verfügbar.

Seismik

Seismisches Risiko, Kenntnis zur Geologie des Standorts und seismisches Design sind Themen von großer Bedeutung für die Sicherheit eines Kernkraftwerks. Daher widmet Österreich diesen Fragen bereits seit vielen Jahren große Aufmerksamkeit – auch betreffend das KKW Paks. In diesem Zusammenhang hat das BMK bereits vor mehreren Jahren ein Projekt gestartet, in dessen Rahmen technische Experten und Expertinnen alle öffentlich zugänglichen Nachweise und Publikationen zur Seismizität des Standorts überprüft und bewertet haben.

Das Thema Erdbebensicherheit wurde wiederholt mit der ungarischen Seite diskutiert.

Es fanden bereits mehrere technische Experten-Workshops im Rahmen des „Bilateralen Nuklearinformationsabkommens“ in Ungarn statt, darunter auch eine Begehung der derzeit offenen Baugrube. Die von Österreich beigezogenen österreichischen und internationalen Experten und Expertinnen haben die österreichischen Bedenken nachdrücklich deponiert und entsprechende Fragen und Empfehlungen an die ungarische Seite gerichtet. Die Expertinnen und Experten sind dabei, alle Unterlagen weiter zu prüfen.

Es gibt nach wie vor unterschiedliche Auffassungen zum Thema. Aus österreichischer Sicht fehlen nach wie vor Daten, um eine aktive Bruchlinie am Standort ausschließen zu können.

Die Expertinnen und Experten fordern eine geologische Dokumentation und paläoseismologische Untersuchungen der Baugrube in diesen tiefergelegenen Zonen, um aktive Verwerfungen unterhalb der Fundamente der Reaktorgebäude und anderer sicherheitsrelevanter technischer Strukturen ausschließen zu können.

Weitere Baubewilligungen für das Projekt stehen nach wie vor aus, darunter die vollständige Aushebung der Baugrube (-28 Meter).

Beihilfeverfahren KKW Paks II

Nichtigkeitsklage betreffend die Beihilfe für das KKW Paks II wurde abgewiesen. Österreich hat im Februar 2023 ein Rechtsmittel eingelegt.

Mit Urteil vom 30. November 2022 hat das Gericht der Union die Klage Österreich gegen die Europäische Kommission betreffend das KKW Paks II abgewiesen (T-101/18).

Die Entscheidung ist sehr bedauerlich, aber sie muss vorerst zur Kenntnis genommen werden.

Wie schon bei Hinkley Point C hat Österreich auch bei Paks II die Bewilligung einer Beihilfe durch die Europäische Kommission angefochten, weil die Beihilfen nach unserer Auffassung im Widerspruch zum Beihilfenrecht der Europäischen Union stehen. Österreich ist der Auffassung, dass die Europäische Kommission im Rahmen der Beihilfenprüfung nicht korrekt entschieden hat.

Darüber hinaus hat Österreich kritisiert, dass ein Projekt dieser Größenordnung ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens durchgeführt werden kann.

Im Urteil des Gerichts der Union gibt es einige Punkte, die aus österreichischer Sicht jedenfalls durch den EuGH geprüft werden sollten. Daher hat Österreich im Februar 2023 ein Rechtsmittel eingelegt.

Verfahrensverlauf

Am 23. November 2015 hat die Europäische Kommission (EK) eine eingehende beihilferechtliche Untersuchung der Pläne Ungarns eingeleitet. Österreich hat am 10. Februar 2016 eine Stellungnahme im Rahmen des beihilferechtlichen Prüfungsverfahrens der EuropäischenKommission abgegeben und diese in ihren Bedenken unterstützt. Trotz ihrer anfänglichen Bedenken ist die Europäische Kommission allerdings zur Auffassung gelangt, dass eine genehmigungsfähige Beihilfe vorliegt. Gegen diesen Beschluss hat Österreich am 22. Februar 2018 eine Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 263 AEUV eingebracht.

Unterbliebene Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens

Die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens für die Errichtung von Paks II wurde unterlassen.

Luxemburg hat sich Österreich als Streithelfer angeschlossen. Die Europäische Kommission wird von Frankreich, Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik sowie dem Vereinigten Königreich unterstützt, was wieder klar die Interessenslage in der Union veranschaulicht.

Im Februar 2019 wurde das Verfahren beim Gericht der Union bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren zu Hinkley Point C ausgesetzt, danach wieder aufgenommen. Die von Österreich beantragte mündliche Verhandlung fand im März 2022 statt. Am 30. November 2022 erfolgte die Urteilsverkündung, die österreichische Nichtigkeitsklage wurde abgewiesen. Österreich hat im Februar 2023 ein Rechtsmittel eingelegt.

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