Wien Alsergrund – 20 Jahre Agenda 21 Prozess des Monats 9/2018

Im Jahr 2018 jährt sich das Jubiläum zur Agenda 21 in Wien – der 9. Wiener Gemeindebezirk "Alsergrund" war vor 20 Jahren der erste, der diesen nachhaltigen Prozess startete. Seither wurde viel umgesetzt.

Engagierte Bürger und Bürgerinnen aus Agendagruppen, Menschen aus der Politik, Freunde der Agenda und Vorübergehende feierten mit einem bunten Straßenfest in der Fußgängerzone Alserbachstraße das 20 Jahre Jubiläum der LA21 Alsergrund. Herzstück war ein Sprachcafé an dem alle Initiativen aus Wien teilnahmen. Es wurde viel geredet und gelacht, neue Bekanntschaften entstanden und so ganz nebenbei wurde Deutsch geübt. Ein tolles Projekt sozialer Nachhaltigkeit.

Im Jahr 1998 wurde am Alsergrund die Lokale Agenda 21 als Pilotprojekt gestartet. Was als bezirksbezogenes Projekt begann, war so erfolgreich, dass bald ein Wien weites Modell daraus entstand. Die zahlreichen gelungenen Projekte am Alsergrund zeigen, dass das Einbringen von Ideen und das kooperative Zusammenwirken von Politik, Bevölkerung, Verwaltung und anderen lokalen Aktiven den Bezirk an vielen Stellen nachhaltiger machten und machen. Alle Projekte der LA21 Alsergrund können hier nachgelesen werden.

Die Erfolgsgeschichte der Agenda am Alsergrund gab Anlass zur gemeinsamen Reflexion über das 20-jährige Bestehen der Lokalen Agenda 21 und zur Diskussion über die Bedeutung der Bürgerbeteiligung. Radio Alsergrund Moderator Jürgen Plank fing verschiedene die Stimmen dazu ein:

Für Rüdiger Maresch (Grüne) brachte die Lokale Agenda 21 eine neue Qualität in die Politik. Es ging darum, die Bürgerbeteiligung voranzutreiben. Dieses Ziel gilt nach wie vor.

Herbert Bork vom Agendabüro Alsergrund ist der Meinung, dass es schon eine besondere Herausforderung ist, Menschen zur Beteiligung zu bringen. Beteiligung funktioniert für Ihn dann besonders gut, wenn Menschen persönlich betroffen sind. Die Schwierigkeit liegt für Ihn darin, das Engagement der Bürger und Bürgerinnen auf längere Sicht aufrechtzuerhalten. So müssen Beteiligende lernen, dass oft viele Schritte notwendig sind, bis eine Sache umgesetzt werden kann. Dies fällt ihnen leichter, wenn im Beteiligungsprozess die Abläufe in Politik und Verwaltung nachvollziehbarer werden. "Man lernt im Prozess warum was geht oder nicht geht und das ist das Um und Auf einer Beteiligung“, so Bork.

Für Saya Ahmad (SPÖ), der neuen Bezirksvorsteherin am Alsergrund, ist Bürgerbeteiligung ganz wichtig. Menschen sollen ihrer Meinung nach, die Möglichkeit haben, auf ganz unterschiedlichen Ebenen mitzureden und mitzugestalten. "Dafür gibt es unterschiedliche Foren und Kanäle, die jede/r nutzen kann. Parteien sind eine etablierte und historisch gewachsene Möglichkeit mitzugestalten. Natürlich auch Initiativen und Zusammenschlüsse von engagierten Bürgern und Bürgerinnen zu einem bestimmten Thema. Ich glaube so etwas ist ganz wichtig, weil sie uns als Politiker und Politikerinnen ganz oft Inputs geben. Und an Themen denken, die wir nicht immer im Blick haben. Das ist gut so, das ist ein bisschen wie so ein Korrektiv", meint Ahmad.

Momo Kreutz (Grüne) hält die Beteiligung an der LA 21 ebenfalls für sehr wichtig, denn im Grätzl kennen sich die Leute aus, sie wissen was der Bedarf ist und können sich daher gut in die Gestaltung und Weiterentwicklung des Grätzls einbringen. Sie wünscht sich noch mehr Beteiligung, noch mehr Möglichkeiten für die Bevölkerung, ihre Ideen einzubringen und diese in die Umsetzung zu bringen.

Erszebeth Fuchs (ÖVP) schätzt an der LA21, dass hier Bürger und Bürgerinnen Dinge in die Hand nehmen können, die nicht unbedingt eine politische Lösung seitens des Bezirks brauchen und auf diese Weise können diese sehr viel bewirken. Sie wünscht sich, dass noch mehr Personen sich zusammenfinden und diese Möglichkeit wahrnehmen.

Lara Möller vom Demokratiezentrum Österreich hält fest, dass sich aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen auch die Beteiligungskultur in Österreich verändert hat. Die 80er Jahre waren geprägt von hoher Wahlbeteiligung, dominantem Lagerdenken und ersten Versuchen das neue Umweltbewusstsein als parlamentarische Stimme zu artikulieren. "Während wir in den 80er Jahren hohe Wahlbeteiligungen, eine sehr starke Organisationsstruktur und zugleich hohe, sehr hohe Stimmenanteile beider Parteien (SPÖ / ÖVP) hatten, hat sich das immer mehr in Richtung unkonventionellere Partizipationsformen verschoben", so Lara Möller.

Niederschwellige offene Beteiligungsformen sind für eine Demokratie sehr wichtig. Der niederschwellige Einstieg in die politische Teilhabe ist ein zentrales Element zur Förderung der Beteiligung. Damit geht die Frage einher, wer partizipiert? So erklärt Möller, "Ich glaube da muss sich noch vieles ändern. Niederschwelligere Angebote, die sehr stark mit dem Alltag, mit der Lebenswirklichkeit, mit den Interessenslagen auch von Minderheiten zusammenhängen, sind eine ganz wichtige Möglichkeit, die auch weiter ausgebaut werden sollten."

Für Lucia Steinwender von 'System Change, not Climate Change' ist Aktionismus eine Art Sichtbarmachen von Alternativen. Für Sie geht es vor allem um das Verändern, Erweitern und Hinterfragen von Regeln. Auf die Frage, für wie wichtig Sie Beteiligung hält, antwortet Steinwender: "Ich halte es für sehr wichtig, dass sich Zivilgesellschaft und Bevölkerung vor allem an politischen Prozessen beteiligen, aber auch mitgestalten und sich vernetzen wie zum Beispiel im Fall der Alserbachstraße."

Traude Veran (Bürgerin, 85 Jahre) arbeitete an 5 großen Projekte in der Agendagruppe Generationen mit. Sie wollte immer gerne mit jüngeren Leuten zusammenarbeiten und diese  Möglichkeit hat die LA21 ihr geboten. Ob die Projekte etwas verändert haben, kann sie nicht sagen, aber sie weiß, „Bemerkt sind wir schon worden“.  

Die gesamte Beitrag von Radio Alsergrund ist hier nachzuhören.