Band 22: E-ffekt – Auswirkungen von E-Kfz auf Fahrdynamik und Verkehrskonflikte VSF-Forschungsarbeit, Oktober 2013
Die zu erwartende Verbreitung von E-Kfz wirft Fragen zur Sicherheit dieser Fahrzeuge auf, insbesondere Fragen zur Verkehrssicherheit.
In den vergangenen Jahren haben Elektrofahrzeuge in der Öffentlichkeit und seitens der Fahrzeughersteller viel Aufmerksamkeit erhalten. Als Argumente für die Verwendung von Elektrofahrzeugen (E-Kfz) wurden vor allem der Umweltschutz und die steigenden Kosten für fossile Treibstoffe kommuniziert. Allerdings sind E-Kfz derzeit noch erheblich teurer als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (V-Kfz), was vor allem an den hohen Kosten für die Energiespeicherung, das heißt für die Akkumulatoren liegt. Für die Käufer und Käuferinnen könnte auch die bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen geringe Reichweite (meist um etwa 150 Kilometer) ein Argument wider die Anschaffung sein. Ferner sind Lademöglichkeiten – mit Ausnahme von Schwerpunktregionen – noch nicht weit verbreitet. Dennoch wird von Experten der Branche vorhergesagt, dass vor allem für die urbane Mobilität E-Kfz weiter an Bedeutung gewinnen werden. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass alle namhaften Fahrzeughersteller E-Kfz anbieten oder diese in Kürze in den Markt einführen werden.
Die zu erwartende Verbreitung von E-Kfz wirft Fragen zur Sicherheit dieser Fahrzeuge auf, insbesondere Fragen zur Verkehrssicherheit. E-Kfz bewegen sich im niedrigen Geschwindigkeitsbereich nahezu lautlos, was zu Konflikten mit ungeschützten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer führen könnte. Ferner haben Elektromotoren ganz andere Kennlinien für Leistung und Drehmoment, was sich auf die Fahrweise der Lenkerinnen und Lenker auswirken könnte. Durch die hohe Masse der Akkumulatoren hat deren Positionierung im Fahrzeug ebenfalls beträchtliche Wirkung auf die Fahreigenschaften. Letztlich haben Elektromotoren eine andere „Motorbremswirkung“. Der Elektromotor kann als Generator zur Energierückgewinnung (Rekuperation) genutzt werden, und es besteht großer Gestaltungsspielraum, wie dies erfolgt. Obwohl bereits einige Studien in diesen Bereichen gemacht wurden, sind noch immer einige Forschungsfragen offen wie zum Beispiel: Was sind die Unterschiede im Beschleunigungs- und Bremsverhalten (Längsdynamik) und der Quer- und Vertikaldynamik im praktischen Fahrbetrieb? Wie wirken sich etwaige Unterschiede der fahrdynamischen Eigenschaften auf das Lenker- und Lenkerinnenverhalten aus? Welchen Einfluss hat die Rekuperation auf das Fahr- und auch Bremsverhalten?
Im Projekt E-ffekt wurden die Unterschiede in der Fahrdynamik von Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor untersucht. Das Projektziel war, auf zukünftige Risiken im Verkehrsablauf aufgrund einer zunehmenden Verbreitung von E-Kfz vorbereitet zu sein, potentielle Unfallursachen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit abzuleiten. Dafür wurden Testfahrten mit etwa 90 ProbandInnen auf einer festgelegten Route im öffentlichen Straßenverkehr durchgeführt. Jede Testfahrt dauerte etwa eine Stunde. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer musste die Strecke mit einem Elektrofahrzeug und mit einem vergleichbaren V-Kfz abfahren. Es wurde ein Video nach vorne in den Straßenraum aufgezeichnet, zusätzlich Messdaten zu Beschleunigungen in allen drei Richtungen und GPS-Positionsdaten. Ausgewertet wurde das Fahrverhalten an definierten Örtlichkeiten auf dieser Teststrecke, das waren Kurven, Kreisverkehre, Kreuzungen, Schutzwege und Eisenbahnkreuzungen. Zusätzlich wurden anhand von Fragebögen die subjektiven Einschätzungen der Probandinnen und Probanden wie zum Beispiel das Sicherheitsempfinden und das Fahrverhalten abgefragt und mit den anderen Daten verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschiede in der Motorisierung im Vergleich zu anderen Faktoren wie zum Beispiel der Art der Kraftübertragung (manuelles Schaltgetriebe oder Automatik) gering sind. Für die Rekuperation wurden unerwartet hohe Bremsverzögerungen (bis zu -1m/s²) gemessen, die zu Verkehrskonflikten vor allem für nachfahrende Fahrzeuge führen könnten. Ob die technische Vorschrift, dass die Bremslichter ab einer Verzögerung von 1 m/s² aufleuchten müssen, noch zeitgemäß ist, müsste unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse weiter untersucht werden. Aus den Befragungsergebnissen lässt sich zusammenfassend sagen, dass sich die Probandinnen und Probanden rasch an das Elektrofahrzeug gewöhnt haben und sich sicher damit gefühlt haben. Gewöhnungseffekte bei längerer Benutzung von E-Kfz konnten bei einer Fahrzeit von etwa einer Stunde nicht untersucht werden und sollten daher Gegenstand weiterführender Forschung sein. Ferner sollte auch untersucht werden, wie E-Kfz-Lenkerinnen und Lenker ihr Verhalten auf Ladezustand und Reichweite anpassen und auch umgekehrt, wie sich verschiedene Fahrweisen auf Reichweite und Ladezustand auswirken.
Hinweis
Haben Sie Interesse am Bericht, wenden Sie sich bitte an road.safety@bmk.gv.at.