Band 80: Praxistauglichkeit von Speichelvortests und ‑zweitproben  VSF-Forschungsarbeit

Fahren unter Drogeneinfluss ist ein ernstzunehmendes Problem für die Verkehrssicherheit. Hochrechnungen zeigen, dass in Österreich jährlich rund 177.000 Personen unter Drogeneinfluss unterwegs sind, von denen nur ein Bruchteil (2019: 4.364 Anzeigen) überführt wird. Demnach gilt es, das bestehende Überwachungs- und Sanktionierungssystem zu verbessern. Im vorliegenden Projekt wurden zu diesem Zweck auf Speichel basierende hinweisgebende und beweissichere Verfahren auf ihre Praxistauglichkeit evaluiert.

Titelblatt "Praxistauglichkeit von Speichelvortests und -zweitproben"

Auf Speichel basierende Methoden sind für die Untersuchten minimal-invasiv und können sowohl Zeit als auch Kosten sparen. In den meisten europäischen Staaten werden Speichelvortests zur Identifizierung von Drogenlenkerinnen und -lenkern bei Straßenkontrollen eingesetzt. In Österreich ist der Einsatz seit 2005 in der StVO vorgesehen, aber erst seit 2017 mit der Speichelvortestgeräteverordnung auch praktisch möglich. Zusätzlich zu dem seit 2017 zugelassenen Speichelvortest Protzek P.I.A.2 613S wurden 2019 drei weitere vielversprechende Vortestsysteme in die Verordnung aufgenommen, da sich der Protzek P.I.A.2 613S bei der Erkennung von THC – der mit Abstand am häufigsten konsumierten Droge – bei Verkehrskontrollen nicht bewährt hat. Die Praxistauglichkeit des Dräger DrugTest 5000, des Securetec DrugWipe 5 S und des MAVAND Rapid STAT galt es im Rahmen des Projekts zu testen.

Im ersten Schritt wurden österreichweit Exekutivbeamtinnen und -beamte auf die spezielle Erkennung von Suchtgiften sowie den Einsatz der Speichelvortests geschult. Anschließend wurden über einen Zeitraum von acht Monaten die praktischen Erfahrungen der Exekutive sowie die Verlässlichkeit der Vortestergebnisse evaluiert. Dabei zeigte sich, dass zwei der drei getesteten Geräte (Dräger DrugTest 5000, Securetec DrugWipe 5 S) ein praxistaugliches Instrument zur Drogenerkennung im Straßenverkehr darstellen und bei diesen die Genauigkeit für ein hinweisgebendes Verfahren durchaus akzeptabel ist.

Die Projektergebnisse stützen damit weitestgehend die Annahme, dass geeignete Speichelvortests die Verkehrsüberwachung erleichtern und somit einen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten. Voraussetzung ist hierbei jedoch eine detaillierte Einschulung der Anwendenden, auch hinsichtlich der Erkennung suchtgiftbeeinträchtigter Lenkerinnen und Lenker, ein bewährter Gerätetyp sowie die Abänderung des § 5 Absatz 9a Straßenverkehrsordnung (StVO), damit auch im Falle eines negativen Vortestergebnisses eine amtsärztliche Vorführung möglich wird.

Erhärtet sich ein Suchtgiftverdacht, zum Beispiel aufgrund eines positiven Speichelvortests, muss dieser derzeit amtsärztlich sowie in weiterer Folge mit Hilfe eines Bluttests bestätigt werden. Da in den letzten Jahren mehr und mehr europäische Länder erfolgreich auf Speichel als Bestätigungsmedium umgestiegen sind bzw. Speichel zumindest als alternatives Bestätigungsmedium zulassen, galt es im Projekt außerdem die Eignung von Speichelzweitproben für den endgültigen Nachweis von Suchtgift im Labor zu prüfen. Hierzu wurden Lenkerinnen und Lenker – unabhängig von ihrem Speichelvortestergebnis – auf freiwilliger Basis über den Zeitraum von acht Monaten Speichelzweitproben abgenommen und im Labor ausgewertet. Die Laborergebnisse wurden danach den Vortestergebnissen gegenübergestellt. Zudem flossen auch hier die praktischen Erfahrungen der Exekutive in die Verlässlichkeitsbeurteilung ein.

Speichelzweitproben erwiesen sich für Verkehrskontrollen als geeignet und deren Laborauswertung erwartungsgemäß im Vergleich zu den Speichelvortests als genauer. Da aus Datenschutzgründen auf einen direkten Vergleich mit dem derzeitigen Bestätigungsmedium Blut verzichtet werden musste, lässt sich jedoch aus dem Projekt keine Aussage in Bezug auf eine hinreichende Genauigkeit des Ergebnisses der Speichel-Laboruntersuchung im Vergleich zur Blut-Laboruntersuchung treffen. Die positiven Erfahrungen anderer europäischer Länder (zum Beispiel Belgien, Frankreich, Spanien, Zypern) zeigen jedoch das Potenzial von Speichel als alternativem Bestätigungsmedium zu Blut auf: So bietet Speichel neben einer Zeit- und Kostenersparnis eine minimal-invasive Möglichkeit der Probenentnahme. Um von den Vorteilen der Speichelzweitprobe ehestmöglich zu profitieren, erscheint es aufgrund der Befunde sinnvoll, die Speichelzweitprobe als Bestätigungsmedium einzuführen. Zusätzlich sollte es der Lenkerin bzw. dem Lenker jedoch freigestellt sein – analog zur Vorgehensweise bei einem Verdacht auf Alkoholisierung – auf eigene Kosten eine freiwillige Blutabnahme durchführen zu lassen.

Praxistauglichkeit von Speichelvortests und -zweitproben (PDF, 3 MB)